PARADIGMENWECHSEL

Warum es in der Welt der Geräte neue Ikonen braucht. 



Im Kosmos der gestalteten Geräte sprechen alle Gehäuse
eine ähnliche Formensprache. Über eine Differenzierung kommen die sinnbildlich leeren Hüllen dabei nicht hinaus.
Es entsteht ein farbenfrohes Einerlei der immer gleichen Gestaltung. Die für das Aussehen verantwortlichen
Parameter erschließen sich kaum. Um aus diesem engen Korsett auszubrechen, bedarf es eines Paradigmenwechsels. Mittels eines handelsüblichen Föns und eines Mixers unternehmen wir den Versuch.

Der Zweck eines Geräte-Gehäuses soll hierbei nicht in
Frage gestellt werden. Er besteht im Schutz des funktionalen Kerns und der Möglichkeit der Bedienung. Das Gehäuse ist
das Medium zwischen der Hand des Benutzers und der Funktion des Gerätes.

Um die Parameter der Formgebung zu untersuchen,
bedienen wir uns der Autopsie. Es fällt auf, dass das Äußere größtenteils unabhängig vom Inneren gestaltet ist. Es lässt kaum Rückschlüsse auf den Kern des Gerätes zu, ja behandelt Letzteren sogar stiefmütterlich. Er wird keusch ummantelt, verschleiert, verpackt. Es entsteht ein Deckmantel des schönen Scheins. Die blendende Außenschale unterwirft sich neuen Moden und wird wie bei einer Schlangenhäutung regelmäßig neu abgestreift und ersetzt. Doch ändern sich die inneren Werte der Geräte dabei kaum.Von welchen neuen Qualitäten kann dann noch gesprochen werden? Und kann das, woran wir scheinbar kein Interesse zeigen, das Herzstück eines jeden Gerätes, nicht sogar Inspiration sein für eine neue Formgebung? Wir halten ein Plädoyer auf die Schönheit des Inneren.

Unsere Entwürfe sind das Resultat freien Experimen-tierens mit den Hauptbestandteilen eines Haartrockners und eines Handrührgerätes. Gleich einem Schneckenhaus streben wir eine Symbiose zwischen innerer und äußerer Form an. Durch gezielte Neuanordnung der Komponenten ergibt sich dabei in zwei Modellen auf natürliche Weise ein anderes Erscheinungsbild. Das Ausrotieren der inneren Bestandteile führt in zwei anderenVersuchen ebenfalls zu einer Brechung mit gewohnten Gestaltungsdogmen. In der dritten Experimentierreihe wurde dem Gerätekern mittels Tiefziehen eine zweite Haut übergestülpt.

Die neuentstandenen Formen der Probanden wirken ungewohnt. Erklären sie sich auch nicht sofort. Doch
gerade durch diese Art der Provokation und Zumutung schaffen sie den Sprung aus dem Einheitsbrei der Geräte-Scheinwelt. Das Spiegeln des Inneren nach Außen erscheint wie ein Reinheitsakt. Die Gestalt des Gerätes soll nicht in veralteten Erscheinungsbildern stagnieren, sondern muss sich entfalten und entwickeln dürfen.

Wir decken auf, sezieren, bilden ab, schaffen Ungewohntes durch Naheliegendes, bringen Klarheit.
Wir lassen uns nicht mehr täuschen!


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In Zusammenarbeit mit Jadwiga Slezak


Ausstellung im museum der dinge, Werkbundarchiv Berlin 23.05. - 09.06.2014


Fotos: Eva Schönfeld











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